#18M Blocku-polarisierend
Die Medien waren gestern voll damit: Endlosschleifen von den Bildern mit brennenden Polizeiautos, vermummten Autonomen, Gewalt, Chaos. Passend dazu die emotionsgeladenen Kommentare in den sozialen Netzwerken über Recht und Unrecht der Demonstration.
Um mich nicht auch sesselfurzend im Facebook zu streiten bin ich selbst mit einem Freund nach Frankfurt gefahren und zusammen haben wir die Bewegung, die im Kern eigentlich auch unsere eigenen Vorstellungen und Ziele vertritt, so reflektiert und differenziert erlebt, wie nie zuvor.
Demonstrationen als demokratisches Mittel
Vorneweg ist zu sagen: Die offiziellen Hauptakte von Blockupy waren durchweg friedlich. Zur Kundgebung um 14 Uhr versammelten sich rund 17.000 Menschen und marschierten bei der anschließenden Großdemo durch die Frankfurter Innenstadt. Ein Beweis dafür, dass Krawalle und Gewaltbereitschaft nur für eine kleine Minderheit der dort versammelten Menschen stehen.
Demonstrationen an sich sind nämlich ein wichtiges Mittel der Demokratie:
Wer das abstreitet vergisst, dass all die Rechte und Vorteile die wir heute genießen, einst mit Streiks und Protesten erreicht wurden. Wir haben es ihnen zu verdanken, dass
- wir kostenlos studieren können
- es eine Gleichberechtigung von Frauen und Männern gibt
- wir menschenwürdige Arbeitsbedingungen haben
- es unsere Sozialsysteme gibt etc.
Die Demokratie selbst ist also eine Errungenschaft die nur durch Menschen, die für ihre Rechte auf die Straße gingen, ermöglicht wurde. Und: Einer unkritischen und unpolitischen Generation werden all diese Vorzüge schneller wieder weggenommen als sie es überhaupt realisieren kann.
Doch auch wenn Blockupy selbst eine für die Demokratie und Meinungsfreiheit wichtige Veranstaltung ist, sind wir am Ende mit einer eher kritischen Einstellung ihr gegenüber nach Hause gegangen – unabhängig von den Ausschreitungen am Morgen. Dies hat mehrere Gründe:
Motto von Blockupy
Hauptziel der Aktion am 18. März war es, die Eröffnung des neuen EZB-Gebäudes in Frankfurt zu verhindern oder zumindest zu stören. Hintergrund: Die EZB ist eine der treibenden Kräfte in der Troika und unter anderem verantwortlich für die harten Einschneidungen in das griechische Sozialsystem, die verheerende Auswirkungen haben auf eine Bevölkerung, die selbst am wenigsten zu tun hatte mit den Bankenpleiten, der Korruption und der Staatsverschuldung. Außerdem steht die EZB sinnbildlich für all die riskanten Zockereien und Finanzmarktgeschäfte auf Kosten der Staaten und Bürger.
Doch schon allein die Ausgangslage, die EZB – wenn auch symbolisch – als größten Schuldigen darzustellen erscheint ein wenig einseitig. Die EZB hat zur Bekämpfung der aktuellen Krise zu zwei äußersten finanzpolitischen Maßnahmen gegriffen:
- Niedrige Leitzinsen
- Ankauf von Staatsanleihen
Leider hat ersteres nun statt Investitionen in Bildung und Gesundheit nur noch mehr Spekulation an den Finanz und Immobilienmärkten zur Folge. Doch um an dieser Stelle Heiner Flassbeck zu zitieren: „Wenn ich europäischer Notenbanker wäre, würde ich fragen, wer eine Welt geschaffen hat, in der niedrige Zinsen nur zu Spekulation führen und nicht zu Investitionen.“ So haben in erster Linie unsere Regierungen und Parlamente die Finanzmärkte dereguliert und die abenteuerlichen Spekulationen überhaupt erst ermöglicht.
Auch den Ankauf von Staatsanleihen kann man der EZB nicht vorwerfen. Klar, damit hält sie lediglich ein System zusammen, dass ohne derartige Maßnahmen kollabieren würde. Doch kann man von einer Zentralbank fordern, dass sie Staatsbankrotte zulässt?
Aber: Zentralbänker sind auch keine Samariter und wenn man der EZB hingegen etwas deutlich vorwerfen kann, dann, dass sie zu keinem Diskurs bereit ist. Dass sie öffentlich keine Stellung bezieht wie: ‚Ja, wir finden es scheiße, dass Menschen unter der Finanzkrise leiden und unsere Geldpolitik missbraucht wird aber das Versagen unserer Geldpolitik liegt auch in der Politik begründet. Lasst uns doch gemeinsam schauen, wie wir das ändern können!’ Ihre 2600 Mitarbeiter ziehen sich lieber in einem 1,2 Milliarden teuren Neubau zurück. Umgerechnet betragen damit die Einrichtungskosten für nur einen Arbeitsplatz rund 461.500 €. Kein Wunder, dass damit kein Misstrauen und Wut in Teilen der Bevölkerung entsteht.
Blockupy isoliert sich selbst
Doch noch ein weiterer Punkt an Blockupy störte uns: Es ist das Auftreten selbst und die Außenpräsentation; der Aufbau und Ablauf der Bewegung:
Auf den Kundgebung sind es gefühlt immer wieder die gleichen Reden, immer die gleichen Phrasen, die geschwungen werden. Für immer die gleichen Menschen, die sie besuchen: Austeritätspolitik – Herrschaft – Kapitalismus – Korruption usw.
Auf der Demo dann auch immer wieder die gleichen Sprechchöre:
- Staat – Nation – Kapital – Scheiße!
- A- Anti- Antifascista!
- Die ganze Welt hasst die Polizei!
Natürlich haben die Redner zum großen Teil Recht und es geht, insbesondere in den südeuropäischen Staaten, immer mehr Menschen schlecht und auch in Deutschland erleben wir einen Sozialabbau, obwohl unser BIP jährlich steigt.
Doch mit solchen Reden voll von Anschuldigungen, voll von einem Vokabular mit leeren Kampfbegriffen, die fast schon wieder selbstverliebt in die Masse geworfen werden, erreicht man doch keine neuen Leute. Es ist wie ein Mittelfinger an alle anderen, die nicht 100% übereinstimmen mit der Botschaft: Eure Welt ist scheiße und unsere die richtige.
Auch wenn der Bänker von Nebenan oder der Leiter eines mittelständischen Unternehmens das Weltgeschehen mit Unbehagen betrachten – Sie werden alle Mühe haben sich einer Bewegung anzuschließen, die sie selbst alle zum Feindbild macht.
Blockupy – Ich bin dagegen.
Und auch aus psychologischer Sicht tut es schlichtweg nicht gut nur gegen etwas zu sein. Druck erzeugt Gegendruck. Auf Gewalt von ‘Unten’ folgt ‘Gewalt’ von Oben (mit bekanntlich längerem Hebel.
Blockupy ist gegen die Welt von heute – Klar, aber dann? In der Theorie gibt es viele bessere Staatsformen und Utopien die folgen könnten aber mit einem Sturz von heute auf morgen ist das schlichtweg unrealistisch und wäre auch nicht gesund.
Stattdessen könnte Blockupy auch ‚für’ etwas stehen und etwas Neues, Positives schaffen: Neben den 17.000 Mitläufern gibt es noch eine viel größere Anzahl an Sympathisanten. Warum nicht mit all der Energie z.B. ein Netzwerk gründen, das sich aktiv den Menschen in Armut zuwendet, dass Hilfe vermittelt und einen sozialen Mehrwert schafft. Es würde Rückhalt in der Politik und den Medien schaffen und letztendlich beweisen, dass hinter all den Forderungen auch wirklich der wahrhaftige Wille steckt, aktiv etwas in der Welt zum besseren zu wenden.
Doch es würde auch mehr Willenskraft und Zeit kosten, mehr Kommunikation verlangen und es wäre von jedem Einzelnen ein größerer Einsatz gefragt, als wenige Male im Jahr auf die Straße zu kommen und mit dem Finger auf die Schuldigen zu zeigen.
Hier muss ich mir ganz klar auch selbst an die Nase fassen, doch eines habe ich gestern gelernt: Ich möchte ‚für’ etwas stehen, mit meiner Kraft etwas Positives kreieren, statt nur zu kritisieren und so meine persönliche Verantwortung abzugeben. Einen Masterplan habe ich jedoch noch nicht.
Quellen:
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-03/blockupy-frankfurt-ezb-protest-kommentar
http://www.flassbeck-economics.de/die-ezb-politik-ist-falsch-aber-was-ist-die-alternative/
https://blockupy.org/18m/aufruf/