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„Was kann der Mensch auf Erden besseres tun, als zu lernen, Mensch zu sein“ sagte einst Wilhelm von Humboldt und vertrat die Meinung, dass in Bildungsinstitutionen vor allem Individuen und Persönlichkeiten herausgebildet werden sollten. Doch in einem Bildungssystem, in dem es in erster Linie um Abschlüsse und Noten geht, in dem Individuen mit ihren so unterschiedlichen Potenzialen und Begabungen nach gleichen Maßstäben beurteilt und kategorisiert werden und in dem so möglichst schnell Fachkräfte für die Arbeitswelt produziert werden sollen, da bleibt wenig Platz für Neugier, Individualität, und Selbstentfaltung.

Es gibt heute immer mehr Menschen, die der Meinung sind, dass die herkömmlichen Bildungseinrichtungen ungenügend auf das späteres Leben vorbereiten – und machen sich daher auf die Suche nach ihrem eigenen Weg: So z.B. Erik Koszuta, der sein Abitur verweigerte, da er nicht verstehen konnte warum alle Schüler nur in den wenigen, gleichen Fächern geprüft und nach den selben Kriterien bewertet werden, obwohl Menschen doch verschieden sind. Oder Ben Paul, der sein Jurastudium an einer Eliteuni abgebrochen hat, um nun im Rahmen seines Projekts Anti-Uni nach Wegen zu suchen, wie jeder Mensch alles lernen kann – abseits vom altbekannten Bildungssystem. Zu nennen ist da außerdem noch die Funkenflugbewegung, in deren Rahmen seit 2012 jährlich Schüler und Studenten symbolisch für eine bessere Bildung nach Berlin wandern und die in ihrem Netzwerk inzwischen viele eigene Veranstaltungen und Workshops organisieren.

Auch ich befinde mich auf der Suche – und an einem Wochenende hat sie mich nach Leipzig geführt, in die Räume der Autodidaktischen Initiative, einem Zentrum für Freilernende. Dort war ich nun zusammen mit vier anderen jungen Menschen zwischen 20 und 25 und auch wir wollen unsere eigene Bildung gestalten: Wir diskutierten ausgelassen miteinander, wir dachten nach bis uns die Köpfe rauchten und machten seitenweise Notizen bis schließlich die ersten Ermüdungserscheinungen aufkamen. Doch am Ende war es geschafft und wir blickten müde, erleichtert und auch ein wenig stolz auf unsere Ergebnisse, die wir auf einer großen Tafel zusammengefasst hatten: Nach unserem letzten von insgesamt vier Vorbereitungstreffen für die „Wanderuni“ stand der grobe Zeitplan mit vielen Seminarterminen, unserer Wanderroute und weiteren organisatorischen Grundlagen nun endlich fest.

„Wanderuni“, das heißt für uns ein halbes Jahr auf Wanderschaft zu gehen auf der Suche nach guter Bildung und auch nach uns selbst. Wir machen uns die Welt zum Vorlesungssaal und holen das Leben zurück auf den Lehrplan. Wir wollen erproben, wie sich Wandern mit dem Lernen verbinden lässt, ohne Leistungsdruck, ohne Abgabetermine und ohne Noten sondern nur angetrieben von unserer eigenen Neugier und der gegenseitigen Unterstützung. Auf unserem Weg entdecken wir neue Orte, begegnen interessanten Menschen, nehmen an Workshops und Seminaren teil und erarbeiten uns unsere eigenen gemeinsamen sowie individuellen Studienthemen.

wege-kreuzungBereits am 1. April geht es los und der Gedanke daran ist auch mit Ängsten verbunden. Es sind Schritte ins Ungewisse gepaart mit den Widerständen einer Gesellschaft, in der ein Abweichen vom herkömmlichen Weg nicht vorgesehen ist. Es wird bestimmt nicht immer leicht sein und wir wissen nicht, wo wir am Ende ankommen – doch eben dies sind die Herausforderungen, an denen wir wachsen werden, deren Überwindung uns voranbringt und die uns helfen, uns persönlich weiterzuentwickeln.

Genau an diesem Prozess wollen wir euch teilhaben lassen und allen Interessierten unsere Erfahrungen weitergeben. Regelmäßige Berichte über Erfahrungen und Gelerntes poste ich auf diesem Blog und unsere Wanderuni-Gruppe unter www.wanderuni.de. So hoffen wir, dass wir schließlich nicht nur unser eigenes Bedürfnis nach einer lebensnahen Bildung verwirklichen, sondern sich noch mehr Menschen aufmachen, um z.B. mit einer Wanderuni ihren eigenen Weg zu finden.