Die philosophisch angelehnte Fragestellung nach dem was ‚Arbeit’ eigentlich ist wirft schnell tiefgehende Fragen nach dem „Wie wollen wir überhaupt arbeiten?“ und „Wie wollen wir leben?“ auf. Daher war die folgende Ausarbeitung die wohl für mich Wichtigste meiner Studienlaufbahn und hat bei mir einen Denkprozess über den eigenen Lebensentwurf angeregt.

Hervorgegangen ist sie aus dem gleichnamigen Blockseminar „Was ist Arbeit“ im Jahr 2012: Über eine Woche hinweg haben wir im Rahmen des Soziologiestudiums relativ abgeschottet in einer universitätseigenen Herberge in Frankreich den Begriff der Arbeit reflektiert und diskutiert. Für manche Leser mag eine solche Herangehensweise eventuell befremdend erscheinen; einem Lohnarbeiters in unsicheren Arbeitsverhältnissen und nahe der Armutsgrenze vielleicht sogar als Spott und Hohn – doch möchte ich vorsichtig behaupten, dass ein Abstand von unserer routinegeprägten Arbeitswelt zunächst gut tut, um diese überhaupt samt ihrer Ursprünge, der neueren Entwicklung und hinsichtlich eigentlichen Sinns analysieren zu können.

Im Folgenden gebe ich einen kurzen Einblick in die Ausarbeitung.

 

Über den Arbeitsbegriff in unserer Gesellschaft

Arbeit ist für uns heute eine zentrale Institution der Gesellschaft und wir nehmen sie stets als soziale Tatsache wahr, die sich in vielen Facetten zeigen kann: Lust oder Last, Pflicht oder Menschenrecht, Notwendigkeit oder Selbsterfüllung.

Doch eines hat sie wohl für uns alle gemein: Arbeit ist Lohnarbeit und Voraussetzung für eine gesellschaftliche Teilhabe. Erwerbsfähige Menschen müssen einer bezahlten Tätigkeit nachgehen, um ihre eigenen Lebenserhaltungskosten zu finanzieren und um ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. Gleichzeitig ist Arbeit auch mit Zwang ausgestattet. Wer nicht arbeitet erhält unter bestimmten Voraussetzungen zwar Transferleistungen in Form von Hartz IV, die ein Leben unterhalb der Armutsgrenze ermöglichen, dennoch werden Arbeitslose, die angebotene Stellen verweigern, mit weiteren Sanktionen, bis hin zum völligen Aussetzen von Zahlungen, bestraft. Gleichzeitig wird von unseren Medien in Reportagen und Reality-Shows ein marktkonformes Bild des „faulen Arbeitslosen“ propagiert und reproduziert, welches Vorurteile und einen sozialen Ausschluss dieser befördert und die Erwerbsarbeit in ihrer zentralen Stellung bekräftigt.

 

Reflexion des Arbeitsbegriffes

Die heutige Verknüpfung von Arbeit als Lohnarbeit war jedoch nicht immer selbstverständlich weshalb es sich lohnt den Begriff der Arbeit in unserer Gesellschaft zu reflektieren und sich deutlich mit ihm auseinanderzusetzen. So ist unser heutiges Verständnis von Arbeit sowohl auf die starke Verbreitung calvinistische Arbeitsethik im 18. Jahrhundert („Wer nicht arbeitet, soll nicht essen“) als auch auf die ökonomische Aufladung unter anderem durch Adam Smith zurückzuführen: Arbeit als Wertschöpfung, Produktions- und Tauschwert und unterscheidbar nach ihrer Produktivität. Dementsprechend war ‚Arbeit‘ noch nie ein statischer Begriff, sondern sie wird im Laufe der Geschichte je nach Kultur, Gesellschaftsform und Herrschaftsverhältnissen immer wieder verschieden besetzt und ausgedeutet.

 

Kritik am Arbeitsbegriff

An unserem heutigen Verständnis des Arbeitsbegriffes kann aus verschiedenen Standpunkten aus Kritik geübt werden:

So lässt sich aus philosophischer Perspektive argumentieren, dass schon Karl Marx einen synonymen Gebrauch von ‘Arbeit‘ und ‘Lebenstätigkeit‘ pflegte, sodass Arbeit für ihn eine ontologische Kategorie menschlichen Daseins bezeichnet. Die „Arbeit beinhaltet alle Aktivitäten, die der Mensch zur Vergegenständlichung seines Gattungswesen, zur Aufrechterhaltung seiner menschlichen Existenz unternimmt“ (Jäger/ Pfeiffer 1996: S.238).

Die Erwerbsarbeit stellt für Marx lediglich eine Unterkategorie vergesellschafteter Arbeit dar, die in ihrer historischen Form als spezifische Ausprägung der warenproduzierenden Gesellschaft auftritt.
An erster Stelle wird sich unser System der Erwerbsgesellschaft gerade selbst zu einem Problem. Globalisierung, Digitalisierung, Produktivitätssteigerung sowie Technisierung der Produktionsprozesse machen Erwerbsarbeit zu einem immer knapperen Gut. Tatsächlich lässt sich eine Umschichtung am Arbeitsmarkt statistisch nachweisen. Das sozialversicherungspflichtige Normalarbeitsverhältnis stellt die finanzielle Basis unseres Sozialsystems dar, doch dieses nimmt zugunsten von atypischen[1] Beschäftigungsformen und Solo-Selbstständigen stetig ab. So berichtet das statistische Bundesamt, dass, während sich 1997 noch 82,5% der abhängig Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis[2] befanden, es 2007 nur 74,5% und 2011 bereits nur noch 66,2% waren.

Schließlich erfolgt auch seitens der feministischen Bewegung Kritik: Die historisch bedingte Typisierung von Arbeit als Erwerbsarbeit, als Männerarbeit, die finanziell entlohnt, hierarchisch geordnet, sowie nach Berufen spezialisiert hat unser heutiges Verständnis von Normalarbeit mitgebildet. Dabei wurden andere gesellschaftlich wichtige Tätigkeiten an den Rand gedrängt, so die Historikerin Karin Hausen. Während nun inzwischen Frauen gleichwertige Karrierechancen und Entlohnungen erfolgreich einfordern, werden andere Ausprägungen von Arbeit nach wie vor vernachlässigt: Familienarbeit, Hausarbeit aber auch jegliche ehrenamtlichen Tätigkeiten. Diese stellen zwar einen wichtigen Grundpfeiler unserer heutigen Gesellschaft dar, werden jedoch als selbstverständlich angesehen. Unser Gesellschaftssystem lebt geradezu von Werten die im unentlohnten und sozialen Bereich geschaffen werden, für das es selbst jedoch nicht aufkommen möchte. Im Umkehrschluss müssten diese endlich als fundamentaler Bestandteil des Wirtschaftslebens wertgeschätzt und finanziert werden, so Hausen.

 

Ideen für ein neues Verständnis von Arbeit

Was wir also brauchen ist ein erweitertes Verständnis von Arbeit: Arbeit ist nämlich jedwede Tätigkeit die einen gesellschaftlichen Nutzen hat. Tätigkeiten wie Hausarbeit, Familienarbeit und die Vielzahl der ehrenamtlichen Aktivitäten wie im Naturschutz, in Menschenrechtsorganisationen, in der Armenfürsorge, in der Jugendarbeit etc. (auch zusammengefasst unter dem „Dritten Sektor“) gelten derzeit noch als ökonomisch nicht verwertbar, sind jedoch für unsere Gesellschaft unabdingbar: Sie schaffen jenes Sozialkapital von dem sich letztlich die Wirtschaft mitnährt.

 

Fazit

Schlussendlich ist nicht die immer knapper werdende Erwerbsarbeit ein Problem, sondern das Bestreben an dem Primat dieser festzuhalten. Es ist genügend Arbeit vorhanden: Nämlich im Dritten Sektor, der von der Wirtschaft als unökonomisch abgewertet wird und aus dem sich der Staat, aufgrund zunehmender Deregulierung und Kosteneinsparung, immer weiter zurückzieht! Doch das Soziale ist ein wichtiger Grundpfeiler einer gesunden Gesellschaft, wird es weiter vernachlässigt sind die Folgekosten unabsehbar.

Fest steht: Es mangelt in unserer Gesellschaft nicht an Arbeit, sondern an der Wertschätzung wichtiger Tätigkeiten. Statt alte Beschäftigungsformen zu fördern bzw. zu subventionieren, muss mit der aktuell vorherrschenden Vorstellung von Erwerbsarbeit als die ‘einzig produktive Tätigkeit’  abgeschlossen werden. Auch die wichtigen sozialen und gemeinnützigen Tätigkeiten im Dritten Sektor müssen als gleichwertig anerkannt sowie vorangetrieben und gefördert werden. Im Endeffekt muss Arbeit humaner und besser verteilt werden und nicht dem Kapital sondern den Menschen dienen.

 

Anhang

Die Vollständige Ausarbeitung zu der Thematik kannst du hier downloaden:

Hausarbeit: Was ist Arbeit?

 

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Quellen

Jäger, Wieland; Pfeiffer, Sabine 1996: „Die Arbeit ist das lebendige, gestaltende Feuer…“ Der marxsche Arbeitsbegriff und Lars Claussen Entwurf einer modernen Arbeitssoziologie, in Daheim, Hans-Jürgen et. al. Heft2/ 1996: Arbeit. Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

Bild: aus Film Metropolis/ http://moviemezzanine.com/wp-content/uploads/metropolis-lang-2.jpg

Alle weiteren Quellen im Haupttext.

 

Fußnoten:

[1] „Das Statistische Bundesamt definiert als atypisch Beschäftigte alle abhängig Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis befristet ist, die eine Teilzeitbeschäftigung bis maximal 20 Stunden ausüben, in einem Leiharbeitsverhältnis stehen oder einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen.“ (bpb 2010)

[2] Normalarbeitsverhältnis beschreibt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, das in Vollzeit und unbefristet ausgeübt wird. Ein Normalarbeitnehmer arbeitet (im Gegensatz zu einem Leiharbeiter) direkt in dem Unternehmen, mit dem er einen Arbeitsvertrag hat und ist voll in die sozialen Sicherungssysteme integriert. (vgl. destatis)